CannabisBlog.eu – Ein Kommentar – Seit 2016 besuche ich jedes Jahr die Mary Jane Berlin. Sie ist Deutschlands und seit diesem Jahr auch Europas größte Cannabismesse. Zwischen dem 14. und 16. Juni fand die Mary Jane 2024 das erste Mal auf dem Gelände der Messe Berlin im Westen der Hauptstadt statt. Die schlimmen Ereignisse der letzten Mary Jane wurden dieses Jahr deutlich übertroffen. Mehr dazu in diesem Beitrag.
Mary Jane Berlin 2024 – Tag 1
Es ist wirklich schade, dass ich wieder meckern muss. Aber irgendwie war es ja auch absehbar. Vorab möchte ich sagen, dass ich bewusst alle Sideevents außen vor lasse.
Am Freitag (14. Juni) klingelte morgens um 7:00 Uhr mein Wecker. Wach werden, frisch machen und let’s go! Das war der Plan. Ich war schon vorab aus verschiedenen Gründen sehr skeptisch. B2C, B2B, Festival & Education auf einem Event vereinen. Mutig! Beim Frühstücken erreichte mich dann eine E-Mail, die an mich weitergeleitet wurde. Der Inhalt dieser Mail war bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt, sie wurde jedoch schon am 23. Mai an die Aussteller der Mary Jane Berlin 2024 verschickt.
Ich war sprachlos. Nach den zahlreichen Sanitäter-Einsätzen auf der Messe im letzten Jahr hat das Mary Jane Team auf ihrem Instagram-Account am 11. August 2023 doch ein Statement gepostet:
HHC-Verbot zurückgenommen
Ich habe den entscheidenden Punkt mal rot markiert. Verbot von HHC auf der gesamten Messe! Die anderen beiden Ausrufezeichen spare ich mir an dieser Stelle. Mein Blick ging wieder rüber zum Bildschirm meines Notebooks. In der Mail steht doch: “Es ist zwingend erforderlich, dass ihr synthetische Wirkstoffe vor Ort eindeutig kennzeichnet (…)”.
Das hat mit dem angekündigten Verbot nichts zu tun! Ich musste mich an ein Video erinnern, das mir ein Freund einige Tage vor der Messe geschickt hat, in dem Phuong Nhung Nguyen, eine Hälfte des Mary-Jane-Veranstalter-Pärchens, vom Deutschen Hanfverband interviewt wurde. Ab 9:00 min spricht sie über HHC und sagt: “(…) HHC haben wir dann erstmal verboten (…)”. “Erstmal verboten”, bekam, nachdem ich die an mich weitergeleitete E-Mail gelesen habe, eine ganz neue Bedeutung. Das Verbot wurde einfach wieder zurückgenommen. Money, money, green..
Mehr als 20 Krankenwageneinsätze am ersten Tag
Ich räumte meine Sachen zusammen und machte mich auf den Weg, um mich mit einigen Leuten, die extra wegen der Messe nach Berlin gekommen sind, zu treffen. Um kurz nach 10 Uhr erreichten mich bereits die ersten Fotos von Messeständen, an denen nicht nur HHC-Produkte wie schon im vergangenen Jahr, sondern auch zahlreiche andere synthetische Stoffe angeboten wurden.
HHC, HHCH, HHCP, Delta-9, THCP, THCJD, THCV, Magic Sauce, Muscimol, Magic Mushroom Shots… da war kein Ende in Sicht. Es war wirklich verrückt und um ehrlich zu sein, habe ich da mögliche Konsequenzen schon befürchtet. Die Messe war riesig, sie war voll, es war sehr warm und die Luft schlecht. Gepaart mit all diesen neuen Substanzen war das alles andere, aber keine gute Kombination.
Es sollte so kommen wie befürchtet. Am Freitagabend bekamen die Aussteller folgende E-Mail:
Über 20 Krankenwageneinsätze, die Berliner Polizei macht Druck. Und zack – da haben wir wieder ein Verbot. Reagieren, anstatt proaktiv zu handeln, auf Kosten der Besucher. Das Handeln der Rocket Cannabis GmbH, der Firma, die die Mary Jane veranstaltet, halte ich in diesem Zusammenhang für grob fahrlässig.
Wo ist die Haltung? Mary Jane Berlin zeigt sich von einer anderen Seite
Klar, das Mary Jane Team hat die Hallen rappelvoll gemacht. Business Compliance wurde hier jedoch scheinbar außen vor gelassen. Das Ausstellen von halbsynthetischen und synthetischen Produkten auf Europas größten Cannabismesse wirft einen dunklen Schatten auf die Pflanze, die wir alle lieben, mit der all die Produkte, die ich erwähnt habe, absolut nichts zu tun haben. Wenn Leute aber im Zusammenhang mit einem Cannabis-Event abklappen und im Krankenhaus landen, spielt das doch jedem populistischen Prohibitionisten in die Karten. Die Verantwortung der Veranstalter, die mit einer Messe dieser Größe rund um dieses momentan sensible Thema einhergeht, wurde meines Erachtens nicht wirklich wahrgenommen.
Das Mary Jane Team bittet um Mithilfe
Dann ging folgender Post bei Instagram online:
Solltet ihr etwas Vedächtiges mitbekommen… Nein. Die Verantwortung lag an dieser Stelle bei dem Mary Jane Team, nicht bei den Besuchern. Aussteller hätten überprüft werden müssen, man hätte selbst mit kleinen Teams die Messe ablaufen sollen, anstatt auf die Mithilfe der Besucher zu zählen, die Tickets bezahlt haben, angereist sind und Spaß haben wollten. Die PR-Arbeit des Mary Jane Teams war in diesen Tagen wirklich unterirdisch schlecht und ließ tief blicken.
Bei einer kleinen Session ließ ich den Abend ziemlich spät ausklingen und versuchte, zur Ruhe zu kommen.
Mary Jane Berlin 2024 – Tag 2 – Es eskaliert
Am Samstagmorgen wurde ich um kurz vor 10 wach. 226 DMs bei Instagram von Leuten, die meine MJ Watch Story verfolgt haben. Der Kern aller Nachrichten war derselbe: Was zur Hölle geht hier vor sich?
Die Shit Show ging jedoch erst gerade richtig los. Um 10:30 Uhr, eine halbe Stunde bevor die Messe an diesem Tag öffnete, bekam ich ein Foto geschickt, welches den großen Stand von Only Grams, einem bekannten HHC-Händler, zeigt.
Um 11 öffnete dann die Mary Jane ihren Eingang, HHC & Co wurde immer noch an zahlreichen Ständen angeboten. Viele liefen mit Bauchläden über das Gelände und verkauften dubiose Produkte. Ich war es leid. Scheinbar war das Messe-Team schlichtweg unfähig die eigenen Regeln durchzusetzen. Dabei sollte es aber nicht bleiben.
Mary Jane Berlin 2024 – Final Warning!
Ah, genau. Zwischenzeitlich kam noch die Final Warning E-Mail:
Am Freitag war es ja bereits voll, jedoch war das nichts im Vergleich zu Samstag. Als ich gegen 14:00 Uhr am Messegelände ankam, standen Massen wartend vor dem Eingang. Die Stimmung war angespannt, es war auch an diesem Tag sehr warm, die Luft war dick.
Ich versuche die Situation möglichst vereinfacht zu schildern (Vince hat das am vergangenen Donnerstag in seinem Live-Stream auch gut auf den Punkt gebracht): Die Besucher, die sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Messegelände aufgehalten haben, wollten nicht mehr vom Gelände runter, weil sie wussten, dass sie wegen Überfüllung nicht mehr reingelassen werden würden.
Einlassstop am Samstag wegen Überfüllung
Vor dem viel zu kleinen Eingang standen auch hunderte Besucher, die bereits lange zuvor Tickets gekauft haben und stundenlang nicht auf das Messegelände kamen. Es war absolutes Chaos. So kam es zu einem Einlassstop, der mehrere Stunden anhielt. Viele Gäste sind an diesem Tag nicht mehr auf das Gelände gekommen. Ich möchte an dieser Stelle nicht den Teufel an die Wand malen, aber stellt euch vor, was hätte passieren können, wenn es in diesen Stunden angefangen hätte zu regnen und die Menschen vom Outdoor Bereich in die Messehallen geströmt wären.. Kurz darauf wurde übrigens ein Nebeneingang einfach mal kurz überlaufen.
Es war überall Müll, jedoch waren kaum Mülleimer auffindbar. Die Teams, die für die Müllentsorgung zuständig waren, hatten laut Besucheraussagen einen sehr niedrigen Altersdurchschnitt und waren nicht motiviert zu arbeiten. Die Leute beklagten sich außerdem über zu hohe Wasserpreise. Viele der HHC-Händler liefen immer noch über das Gelände, um ihre Reste vom Vortag loszuwerden. Es war drängend voll, die Luft war sehr schlecht. Diese ganze Show wirkte wie ein unkontrollierter, überfüllter Bazaar. Dass es sich um eine Cannabis Messe handelte, war an einigen Stellen kaum zu erkennen.
After-Show-Party wird abgesagt
Um ehrlich zu sein, war ich froh, als ich wieder heil zuhause ankam. Die Messe war die reinste Farce.
Als nächstes wurde dann auch noch in der Insta-Story der Mary Jane die vorab angekündigte After-Show-Party aus Sicherheitsgründen abgesagt. Zeitweise wurde die Kommentarfunktion unter einigen Instagram-Beiträgen deaktiviert.
Auch die After-Show-Party war für viele ein fester Bestandteil dieses geplanten Wochenendes, um zu netzwerken. Auch hier konnte scheinbar keine Lösung gefunden werden. Die Organisation der Mary Jane 2024 schien dem Team massiv über den Kopf gewachsen zu sein. Für viele Besucher, mit denen ich gesprochen habe, war die Mary Jane 2024 spätestens an diesem Punkt gelaufen.
Ich hatte am Sonntag noch einen kurzen Termin, den ich wahrnehmen musste und bin daher doch noch kurz vorbeigekommen. Am Sonntag war ich circa eine Stunde auf dem Messegelände, habe meinen Termin wahrgenommen und bin umgehend danach wieder gefahren.
Trotzdem muss an dieser Stelle gesagt werden, dass der Sonntag deutlich angenehmer verlief und planungsmäßig besser umgesetzt wurde. Es war jedoch auch deutlich leerer, was nicht heißen soll, dass es nicht immer noch sehr voll war. Viele Besucher schienen nach dem Desaster am Vortag keinen Bedarf mehr gehabt zu haben, die Messe erneut zu besuchen. Womöglich war die Sorge vor erneut ewigen Wartezeiten zu groß.
Mary Jane Berlin 2024 – Aftermath
Das Mary Jane Team verfasste in diesen Tagen auch sehr merkwürdige Kommentare, in denen zum Beispiel behauptet wurde, sie hätten zum Thema HHC schon Stellung bezogen. Das war eine weitere Lüge. An dieser Stelle muss ich nochmal die unsagbar schlechte PR-Arbeit während und nach den Messetagen bemängeln. Compliance, Krisenmanagement und auch Kritikfähigkeit im Nachgang sind Skills, die sich das Team definitiv noch aneignen sollte.
Ich war nach diesem Wochenende mit meinen Nerven am Ende, ich brauchte etwas Ruhe. Am Montag fing ich dann nach der Arbeit an, eine E-Mail zu verfassen, die ich an das Mary Jane Team senden wollte. Während ich am Tippen war, bekam ich jedoch eine Nachricht von einem guten Freund: “Mary Jane Statement ist online!” Darauf folgten noch einige nicht erwähnenswerte Emojis.
Ich schnappte mir sofort mein Handy und öffnete Instagram. Kurz darauf sah ich das erste Mal den mittlerweile von einigen “Persönlichkeitsentwicklungs-Video” getauften Beitrag, den ich euch an dieser Stelle nicht vorenthalten möchte.
Was war das? Persönlichkeitsentwicklung? Was ist mit dem ganzen HHC-Thema? (alle anderen Stoffe sind ebenfalls gemeint). Ich hatte nach diesem Video mehr Fragen im Kopf und konnte nicht nachvollziehen, wieso man so sehr persönliche Aspekte nach vorne gestellt hat und Dinge versucht hat zu erklären, anstatt konkret auf Punkte einzugehen und sich dafür anständig zu entschuldigen.
Und da saß ich wieder an meinem Notebook und schrieb weiter an der E-Mail, die ich schließlich am Mittwoch (19.6.) mit 10 Fragen an das Mary Jane Team sendete.
Mary Jane Team bezieht Stellung (?)
Am nächsten Morgen wachte ich auf und stellte fest, dass mir in der Nacht bereits geantwortet wurde. Damit habe ich nicht gerechnet.
Der Geschäftsführer der Rocket Cannabis GmbH Duc Anh Dang, die zweite Hälfte vom Mary-Jane-Veranstalter-Pärchen, ging beim ersten Anlauf auf fast alle Fragen ein. Ich möchte nicht wissen, wie viele Anfragen in den Tagen nach der Messe eingingen. Dafür fand ich das Verhalten mir gegenüber fast schon gut. Es liege ihm am Herzen, die Veranstaltung im Sinne der ganzen Cannabis Community durchzuführen. Sie (das Mary Jane Team) wollten den Markt entscheiden lassen, welche Produkte angeboten und verkauft werden. Es seien genauso viele Tickets verkauft worden, wie es die Kapazitätsgrenze erlaubt hätte. Das Team sei jedoch überfordert gewesen und wisse, welche Aufgaben ihm bevorstehen, schrieb er.
Nun ein wichtiger Punkt, der vielleicht dem ein oder anderen helfen könnte. Ich zitiere an dieser Stelle direkt aus der Antwortmail:
“Allen Besuchern, die am Samstag nicht reinkamen mit dem Tagesticket werden alle Tickets zu 100% erstattet und erhalten ein kostenfreies Ticket für das nächste Jahr, wenn sie uns nochmal die Chance geben.”
Businessgäste, Aussteller oder Besucher mit einem Wochenendticket, die alle nicht von dieser “Tagesticket-am-Samstag-only”-Regelung betroffen sind, hilft das nicht weiter. Ich kann euch raten bei näheren Fragen, euch direkt an die Verbraucherzentrale zu wenden.
Mary Jane Berlin 2024 – Mein Fazit
Die Mary Jane Berlin 2024 war für viele Teilnehmer und auch für mich eine maßlose Enttäuschung und ein organisatorisches Desaster. Diese lange vorher beworbene Veranstaltung die internationale Gäste und Aussteller angezogen hat, die als Europas größte Cannabis-Messe angepriesen wurde, litt letztendlich unter zahlreichen Problemen, angefangen bei der unklaren Kommunikation bezüglich des HHC-Verbots und dem umgang mit anderen Substanzen bis hin zu chaotischen Zuständen auf und vor dem Messegelände.
Das Zurückziehen des HHC-Verbotes und die Ausweitung des Angebotes auf zahlreiche andere Stoffe führte direkt zu über 20 Krankenwagen Einsätzen und einem unfassbar schlechten Bild für die gesamte Veranstaltung und unsere Community. Die Überfüllung der Hallen, das Absagen der After-Show-Party, die schlechten Luftverhältnisse und die mangelhafte Müllentsorgung trugen zusätzlich zu einer negativen Erfahrung bei. Auch auf Instagram wurde deutlich, dass viele der Meinung sind, sie hätten das Wochenende deutlich sinnvoller nutzen können.
Obwohl der letzte Messetag etwas entspannter verlief, war der Schaden bereits angerichtet und viele Besucher waren einfach nur noch enttäuscht.
Die Veranstalter der Mary Jane Berlin müssen dringend ihre Organisations- und Kommunikationsstrategien überdenken, um zukünftige Veranstaltungen erfolgreicher und sicherer zu gestalten.
Das neue, zweite Statement der Mary Jane Berlin auf Insta gibt nicht wirklich neue Aufschlüsse. Es zu behandeln würde den Rahmen sprengen, daher spare ich mir das. Trotzdem verlinke ich es euch.
Mein Appell
Abschließend muss ich noch ein letztes Mal (für heute) meinen Senf dazu geben. Die Mary Jane Berlin Cannabis Messe, wie wir sie in diesem Jahr erlebt haben, hat nichts mit der Cannabiskultur in Deutschland zu tun, die ich in den letzten Jahren kennenlernen und leben durfte.
Wir halten alle momentan gemeinsam ein Baby namens Entkriminalisierung in den Armen, das es zu schützen, aufzupeppen und groß zu machen gilt. Dass in diesem laufenden Prozess eine krasse Kommerzialisierung unvermeidbar ist, ist mir bewusst. Trotzdem appelliere ich an alle Cannabis-Enthusiasten, -Unternehmer und auch an sonst alle, die sich in unserer “Bubble” bewegen: Wachst mit Bedacht, überprüft lieber zwei mal mehr mit wem ihr zusammenarbeitet und wer auf eurer Messe einen Stand haben darf, geht mit einem guten Beispiel voran, klärt auf und zeigt den Leuten da draußen worum es bei Cannabis wirklich geht!
Schreibt gerne in die Kommentare was eure Meinung zu dem Thema ist!
Peace und rauchige Grüße
Euer GD420